Der D-Tunnel
Schon länger und auch aktuell (2011) gibt es Diskussionen über
den innerstädtischen Teil der hannoverschen D-Strecke der Stadtbahn.
An dieser Stelle will auch ich mal meinen Senf dazu geben.
Tunnellösung im Westen
Streckenführung
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass bezüglich der D-Strecke
etwas getan werden muss. Die Linie 10 befährt als einzige den
Zweig D-West, die 6 (und 16 als Bedarfslinie) die D-Süd. Eine
Verknüpfung zwischen beiden gibt es nur mit jeweils gut 100 m
Fußweg am Steintor und am Aegi, wobei die 10 nur am Aegi einen
Hochbahnsteig besitzt.
Sinnvoll erscheint, die D-West östlich vom Goetheplatz in einen
Tunnel zu führen, am Steintor mit der C-Nord/West und am
Hauptbahnhof mit der A- und B-Strecke zu verknüpfen.
Vorteile
- Sie bietet die beste Verknüpfung der D-West (Ahlem) mit den
anderen Strecken: Wettergeschützte Umsteigemöglichkeiten am
Steintor zur C-Strecke und am Hauptbahnhof zur A- und B-Strecke,
mit jeweils allen dort verkehrenden Linien.
- Damit ist die Reisegeschwindigkeit beim Umsteigen auf Linien
der anderen Strecken höher.
- Die meines Wissens engste Kurve im Netz, von der
Kurt-Schumacher-Straße zum Bahnhof, entfällt.
- Unfälle mit dem Straßenverkehr sind um Tunnelbereich
naturgemäß ausgeschlossen (von extremen Ereignissen einmal
abgesehen). Insbesondere vor dem ECE in der Kurt-Schumacher-Straße
und am Hauptbahnhof ist die Verkehrslage relativ kritisch.
- Es gibt eine Querverbindung von der C-Strecke zur D-Strecke
und damit zur Hauptwerkstatt (eine Alternative zur Humboldtstraße).
- Ein weiterer, wenn auch vielleicht geringerer, Vorteil: Die Linie 10 bekommt eine einheitliche
Führung und verkehrt
nicht mehr im Nachtsternverkehr abweichend.
Vermeintliche Nachteile
- Es wird argumentiert, dass eine oberirdische Straßenbahn
am Hauptbahnhof einerseits symbolisch den ÖPNV ins Bewusstsein
rückt und ...
- ... dass eine oberirdische Haltestelle besser erreichbar ist.
Beides gilt nur auf den ersten Blick. Natürlich - die D-West könnte auch
vor dem Bahnhof fahren (als Niederflurbahn) oder seitlich davon
(im Posttunnel). Das Problem ist nur, dass nach dem derzeitigen
Netzplan genau drei Ziele angefahren werden:
- Ahlem (Linie 10)
- Wallensteinstraße (Linie 17)
- Aegi (beide Linien)
Dabei wird Ahlem - eben gerade wegen der besseren Verknüpfung -
im Nachtsternverkehr bereits unterirdisch ab Hauptbahnhof
bedient. Die Linie 17 verkehrt relativ selten und zu
Tagesrandzeiten gar nicht. Zudem erschließt sie in Richtung
Wallensteinstraße außer Clevertor,
Goetheplatz und Humboldtstraße keine Station, die nicht auch aus
den Tunneln heraus bedient wird. Der Streckenast zum Aegi ist
nicht gerade hoch ausgelastet und würde auch bei der
Posttunnel-Lösung entfallen.
Die Erreichbarkeit des Hauptbahnhofs ist sicherlich nicht für alle
Fahrgäste aus Ahlem entscheidend, da dieser nicht ihr Reiseziel
sein wird. Wichtiger ist die Verknüpfung mit anderen Strecken, und
die ist bei der Tunnellösung eher gegeben. Und selbst bei einem Ziel
wie der Ernst-August-Galerie oder Gleis 1/2 des Hauptbahnhofs ist
der längere Weg für die meisten Personen nicht kritisch.
Genaue Zahlen zu den Reisezielen sind mir nicht bekannt. Solche
Erhebungen sind auch nicht einfach, da bei einer Umfrage in den
Bahnen nur die Personen erfasst werden, die sie bereits nutzen
und keine potenziellen Nutzer.
Insofern könnte der vermeintliche Vorteil einer überirdischen
Haltestelle in dieser Form nach hinten losgehen - es könnte der
Eindruck entstehen, die Straßenbahn sei langsam, fahre selten und
fast nirgendwo hin.
Nachteile
Es gibt natürlich auch einen Nachteil: Die Tunnellösung ist
teurer. Relativiert wird das ein wenig durch Vorleistungen vorhanden:
Am Steintor ist die D-Station im Bereich der C-Strecke vorbereitet, am
Hauptbahnhof ist die D-Station im Rohbau bereits fertig. Zuschüsse
hängen von einer Kosten-Nutzen-Analyse ab, da sieht es insofern
schlecht aus, als dass es durch den Tunnel (aber auch durch andere
Modernisierungen) praktisch keine Neuerschließung gibt.
Sonstige Punkte
Da die Strecke durch den Posttunnel offenbar bereits in den
Planungen auftaucht, scheint sie machbar zu sein. Angesichts
der räumlich sehr beengten Situation ist das aber ein Spiel
am Limit. Ein solcher Bogen wird nur sehr laut und langsam
befahren werden können. Nach meinem Kartenmaterial sind die
Bögen am Parkhaus (Haltestelle Appelstraße), Goetheplatz und
in der Endschleife Messe/Ost deutlich weiter.
Die D-West auf Niederflurverkehr umzurüsten, wäre technisch
sicherlich möglich. Damit geht aber der hannoversche Vorteil
der geringen Typenvielfalt verloren, was Wartungsausgaben
naturgemäß erhöht. Zudem ist für die Hochflurfahrzeuge eine
ganz andere Werkstatteinrichtung als für Niederflurfahrzeuge
erforderlich, da Niederflurbahnen die meisten Aggregate auf
dem Dach haben. Betrieblich wären auch noch Nachteile wie
inkompatible Zug- und Stoßeinrichtungen (Abschleppen), Vorhalten
von Ersatzfahrzeugen für beide Systeme, Mehraufwand für
Fahrerschulung usw. zu nennen.
Ein Mischverkehr zwischen Hoch- und Niederflurfahrzeugen
auf der A-Süd (bis zur Wallensteinstraße) erscheint auch
nicht sinnvoll. Dieser Teil ist heute ausnahmslos mit
Hochbahnsteigen ausgerüstet, an denen Niederflurbahnen nicht
halten können. Es müssten also neue Niederflurbahnsteige
gebaut werden, was teilweise schwierig (z. B. am
Allerweg) oder vom üblichen Reiseziel weiter entfernt wäre
(siehe Bf. Linden, Stadionbrücke).
Tunnellösung im Süden
Streckenführung
Auf der Süd- bzw. Ostseite des Hauptbahnhofs wird die Frage
nach der Streckenführung schwieriger.
Eine Möglichkeit ist, die Strecke direkt am Hauptbahnhof
enden zu lassen. Vorteile wären
- Geringere Kosten als bei längeren Tunnelvarianten
- Bei entsprechender Ausgestaltung der erforderlichen
Kehranlage kann später immer noch eine Verlängerung
erfolgen. Als Beispiel sei hier die Station Mühlenberg
genannt, die jahrzehntelang Endstation war.
Die nächste Alternative wäre eine Tunnelrampe vor der
Königstraße und eine Haltestelle mit Hochbahnsteig am Platz
der Kaufleute (zwischen Königstraße und Schiffgraben). Im
weiteren Verlauf könnte die Tasse oberirdisch zur Marienstraße
oder zum Zoo führen. Vorteile wären
- Erschließung des Bereichs mit Industrie- und Handelskammer,
Ärztehaus, Hochschule für Musik und Theater (Emmichplatz)
sowie des nördlichen Zooviertels.
- Direkte Verbindung vom Hauptbahnhof zum Zoo bzw. zur
Stadthalle. Eine Durchbindung - z. B. Wallensteinstraße- Zoo-
Haltenhoffstraße - würde zwar zu einer komischen
Schleife führen, wäre aber ebenso denkbar.
- Die Tunnelrampe mit der Option einer späteren Verlängerung
des Tunnels in Richtung Sallstraße auszustatten wäre zumindest
denkbar. Eine große Umsteigestation wie Waterloo ist
wahrscheinlich nicht machbar (und wohl auch nicht angemessen),
eine Vorbereitung ähnlich der Kehranlage am Königsworther
Platz aber sicherlich schon. Damit könnte auch hier später noch
die Sallstraße erschlossen werden.
- Der C-Tunnel kann theoretisch um ein oder zwei Linien
entlastet werden (Expo wird im Regelverkehr über Zoo angebunden).
Wirklich relevant erscheint das Argument allerdings nicht, da
sowohl C-West als auch C-Nord jeweils zwei Ziele anfahren
(Garbsen/Stöcken bzw. Haltenhoffstraße/Nordhafen). Ein Y-Verkehr
wäre nur auf der C-Nord denkbar, da das Fahrgastaufkommen auf der
C-West keine Ausdünnung erlaubt.
- Betrieblich ist insbesondere die redundante Verbindung zur
C-Strecke bzw. zur D-Süd relevant. Die Hauptwerkstatt ist wie schon
beim D-West-Tunnel doppelt angeschlossen, in diesem Fall aber noch
weiter redundant (der Kröpcke wird vollständig umfahren).
Möglichkeit drei schließlich ist der ursprünglich geplante
D-Tunnel mit nur einigen Änderungen. Er würde mit der
bestehenden Tunnelstation Marienstraße eine Umsteigestation
zur C-Ost bekommen, dazu weitere Haltestellen am Schiffgraben,
der Krausenstraße, dem Bertha-von-Suttner-Platz und schließlich
dem Bahnhof Bismarckstraße. Bei letzterem wäre allerdings zu
hinterfragen, ob die Station unter dem Altenbekener Damm liegen
würde oder bis zum Bahnhof selbst verschwenkt werden sollte.
Die Rampe läge in jedem Fall in der Lindemannallee und bekäme
dort auch eine (oberirdische) Haltestelle im Bereich der
Menschingstraße. Vorteile wären
- Erschließung der östlichen Südstadt, bislang nur durch die
Buslinie 121 abgedeckt. Linie 121 fährt heute im 10-Minuten-Takt
und im Schülerverkehr im 5-Minuten-Takt. In diesem Bereich liegen
viele Schulen, die teilweise durch den Bus, teilweise durch die
B-Strecke erschlossen werden.
- Eine gewisse Konkurrenz zur B-Strecke existiert in der Tat,
wäre aber langfristig im Sinne des verbesserten Angebots
sinnvoll.
- Bedarfsverkehr zur Expo-Plaza (Messe/Ost) müsste
nicht den engeren Weg über Berliner Allee, Schiffgraben und
Humboldtstraße nehmen und anschließend die Hans-Böckler-Allee
kreuzen. Die Kreuzungspunkte mit dem Individualverkehr wären
erheblich reduziert. Hier wären wahrscheinlich auch
Vierwagenzüge TW2000 möglich.
Die ebenfalls vorgeschlagene Führung durch das Zooviertel halte
ich für weniger sinnvoll. Ein solcher Tunnel wäre vielleicht
etwas kürzer, hätte aber einige Nachteile
- Geringere Erschließungsfunktion, da das Zooviertel deutlich
weniger Einwohner hat als die Südstadt. Auch gibt es dort weniger
Schulen und Dienstleistungsbetriebe.
- Eine Querung der C-Strecke an der Marienstraße ist baulich
vorbereitet, am Braunschweiger Platz nicht. Andere Knoten kommen
wegen fehlender Verknüpfung nicht in Frage.
- Auch aus umweltpolitischen Gründen ist eine zusätzliche
Erschließung der Sallstraße und ihrer Umgebung sinnvoller. Die
Sallstraße dient überwiegend dem Erschließungsverkehr und ist
extrem belastet. Der D-Tunnel würde am Zoo wesentlich weniger
Menschen zum Umsteigen animieren, zumal dort eher Menschen wohnen,
die eigenen Parkraum haben und sich auch bei steigenden Benzinpreis
ein Auto leisten können und wollen.
Allgemein gegen Tunnellösungen vorgebrachte Argumente
- Höhere Reisezeiten durch Treppensteigen
- Netzausdünnung durch Wegfall von Haltestellen und ggf.
Einstellungen
- Fahrgastrückgang durch verringerte Akzeptanz
- geringe Sicherheit
Punkt 1 ist teilweise richtig. Der Weg zur Haltestelle wird meist
länger. Angesichts von Haltestellen in Straßenmitte und der
dadurch notwendigen Überquerung mittels einer Ampel ist das
im Einzelfall jedoch fraglich. Ob sich die gesamte Reisezeit
verlängert, hängt
sehr von den Umständen ab. Wichtig ist da insbesondere die
Verkehrssituation. In Fußgängerzonen kann nicht schnell gefahren
werden (die 10, die als einzige Linie eine solche passiet, hat die
geringste Reisegeschwindigkeit), an Kreuzungen mit anderen
Verkehrsarten allgemein nicht. Nun gibt es Vorrangschaltungen, die
das Kreuzungsproblem lindern können. Im Gegenzug fährt die Stadtbahn
im Tunnel zumeist mit 70 km/h und störungsfreier, da das
leider erhebliche Risiko von externen Einflüssen weitgehend
entfällt.
Punkt 2 ist im Allgemeinen wohl auch korrekt, stimmt in Hannover
erfahrungsgemäß aber nur bedingt.
- Auf der B-Süd sind zwei Haltestellen durch den Tunnelbau
entfallen, nämlich Krausenstraße und Engesohde (Elkartallee).
- Auf der C-Nord ist eine Haltestelle durch direktere
Linienführung entfallen, nämlich Gewerkschaftshaus (in der
Otto-Brenner-Straße). Die Endschleife Klagesmarkt bestand danach
noch, wenn auch eher im Historischen Verkehr genutzt.
- Durch den D-Tunnel selbst würden nach derzeitigem Plan zwei
Haltestellen entfallen, nämlich Clevertor und
Thielenplatz/Schauspielhaus. Letztere wäre allerdings auch von
einer Verlegung in den Posttunnel bzw. zum Raschplatz betroffen, und der
Wegfall vom Clevertor soll in den derzeitigen Planungen auch enthalten sein,
wahrscheinlich bedingt durch die Verlegung der Haltestelle Steintor.
- Streckenstilllegungen hat es in der Tat gegeben, allerdings
standen all diese Strecken mit dem zuletzt existierenden
Straßenbahnnetz in Verbindung und hätten weiter betrieben werden
können (vor allem Aegi-Humboldtstraße, Thielenplatz-Zoo)
Punkt 3 trifft für Hannover definitiv nicht zu, vielmehr ist
mit Einführung der Stadtbahn das Verkehrsaufkommen immer erheblich
gestiegen. Dass der Ausblick aus dem Fenster entscheidend für die
Verkehrsmittelwahl ist, kann demnach wohl bezweifelt werden. In
gewissem Sinne ist ohnehin an jeder Haltestelle etwas zu sehen.
Existierende reine U-Bahn-Netze haben schließlich auch massiven
Fahrgastzuspruch. Nach meiner Erfahrung schauen z. B. in der
Pariser Metro auch auf Hochbahnstrecken nur wenige Menschen aus dem
Fenster.
Punkt 4 ist ein Problem, das eher in größerem Rahmen
betrachtet werden muss. Die Angriffe auf Personen in
Tunnelstationen, von denen in letzter Zeit berichtet
wurde, fanden meist vor Publikum statt. Insofern ist
die Aussage, dass eine oberirdische Station besser im
Blick der Passanten wäre, vielleicht richtig, aber
offenbar kein relevantes Argument.
Fazit
Aus meiner Sicht macht folgendes Konzept am meisten Sinn:
- Bau des D-Tunnels unter der Sallstraße mit Rampe in der
westlichen Goethestraße und der Lavesallee.
- Der Bau sollte durchgängig geplant werden, eine Inbetriebnahme
ist je nach Baufortschritt auch in Abschnitten denkbar (erst
Goetheplatz-Hauptbahnhof, ggf. Bertha-von-Suttner-Platz, dann
vollständig).
- Die Tunnelstation Bf. Bismarckstraße sollte eher im
Altenbekener Damm liegen. Die Verknüpfungsfunktion ist aufgrund der
direkten Führung des D-Tunnel zum Hauptbahnhof (parallel zur
S-Bahn) nicht so wichtig, dass der Fußweg inakzeptabel wäre.
Außerdem liegt der Bahnhof am Rand der Eilenriede, eine
Haltestelle dort würde nur einseitig Wohngebiete
erschließen.
- Zwischen Hauptbahnhof und Steintor sollte eine Kehranlage
entstehen, um Bedarfverkehr zur Expo-Plaza aufnehmen zu können
(vor allem als Ersatz der Linie 16).
- Der Abzweig Hauptbahnhof-Zoo sollte als Option vorbereitet
werden.
Damit wäre das innerstädtische Stadtbahnnetz bis auf mögliche
Zweige (Hauptbahnhof-Zoo, Waterloo-Linden)
komplett. Langfristig ist aber eine Zunahme der Nachfrage
nach öffentlichem Verkehr zu erwarten. In dem Fall ist ein
engmaschigeres Ergänzungsnetz wünschenswert, das z. B. folgende
Strecken umfassen kann:
- Hauptbahnhof- Aegi- Maschsee- Döhrener Leineinsel
- Raschplatz- Sallstraße- Maschsee/Waldheim
Das Gute daran ist, dass diese Linien grundsätzlich einen
anderen Aufgabenbereich haben: Sie dienen eher der lokalen
Erschließung und sind im Gegensatz zu Stadtbahn echte
Straßenbahnen. Das ermöglicht separate Netze und
auf die jeweiligen Anforderungen angepasste Fahrzeuge. Ob man
bei der klassischen Straßenbahn bleibt oder alternative
Techniken wie z. B.
Translohr
(externe Seite auf Französisch) wählt, kann dann frei entschieden
werden. Vorteile der Translohr sind beispielsweise die schmaleren
Fahrzeuge, die auch in kleineren Straßen verkehren können, und
der geringere Mindestradius.
Gerade die Möglichkeit, sich zukünftige Innovationen nicht zu
verbauen, spricht auch dafür, jetzt bei der bewährten Technik
zu bleiben.
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