ETCS: MA - Movement Authority 

Nachdem wir uns einen Überblick über die Modes verschafft haben, kümmern wir uns darum, wie dem Fahrzeug mitgeteilt wird, wie weit und wie schnell es fahren darf. Diese Fahrerlaubnis nennt sich Movement Authority oder kurz MA. Auf dieser Seite werden die MA-Messages und die wichtigsten relevanten Packets beschrieben.

Eine MA ist in eine Message (die Nummer 3 oder 33) vom mit mindestens einem Packet. In erfolgt die Übertragung per bzw. per Loop- oder Radio-Infill, ansonsten wird ein ähnliches Packet genutzt. Unabhängig vom gehören noch weitere Informationen zur MA, die entweder in der gleichen Message bzw. der gleichen oder auch bereits vorab übertragen werden können.

Zum Verständnis ist wichtig, dass alle Informationen, die auf einen Ort bezogen sind (MA, Streckendaten) einen Bezugspunkt benötigen. Das ist die übertragende . Da die erste und letzte einer Gruppe rund 100 m auseinander liegen dürfen, gilt die jeweils erste der "Nominalrichtung" als Referenz. Allerdings kann diese dupliziert sein, dann wird der Bezugspunkt so ungenau angegeben, dass beide passen. In / wird die zuletzt vom Fahrzeug gemeldete als Ortsreferenz genutzt, die Last Relevant Balise Group oder LRBG.

Message 3/Movement Authority RBC

In Message 3 wird normalerweise eine Movement Authority an ein Fahrzeug in gesendet. Sie kann aber auch an ein Fahrzeug in einem anderen gesendet werden, wenn diesem Fahrzeug die Aufnahme angekündigt wurde.

Zur Message 3 gehört immer das Packet . Außerdem sind die Packets , , und zulässig.
und sind dabei typische Bestandteile der MA, das ist enthalten, wenn der Zug (teilweise) in oder fahren soll. Ab 2.0 ist formell auch zulässig. Das kann für den mitgegeben werden und enthält die , die das Fahrzeug beim Rangieren passieren darf.

Darüber hinaus gibt es noch eine lange Liste von "common optional packets", die in fast allen Messages an ein Fahrzeug enthalten sein dürfen: , , (ab 2.3), (ab 2.3), (in frühen Versionen der ), (ab 2.0), , , , , , (ab 2.0), , , (ab 2.0), , , , (ab 2.0), , , , , , (ab 2.0), , , , , (ab 2.0) und (ab 2.0). In den weitaus meisten MA ist das Packet enthalten, die anderen Packets sind situationsbedingt seltener in Gebrauch.

Ist doch alles ganz einfach und übersichtlich, oder?

Message 33/MA with Shifted Location Reference RBC

Die Erteilung einer MA unter Bezug auf die hat ein Problem, wenn die nicht hinter dem Zug ist: In dieser MA können dem Zug nicht die erforderlichen Fahrwegdaten gesendet werden. Fehlen die Fahrwegdaten unter dem Zug, so bedingt das nur ein Mehr an Verantwortung für den Triebfahrzeugführer. Dieser bekommt dann "Entry in Full Supervision" (oder On Sight) angezeigt und muss selbst zusehen, dass das Ende seines Zuges nicht zu schnell fährt.

Richtig problematisch wird es, wenn die vor der Zugspitze liegt. Dann fehlt in der MA die Information über den Fahrweg zwischen Zugspitze und . Die MA wirkt dann nicht etwa erst ab , sondern muss vom Fahrzeug aufgrund unvollständiger Fahrweginformationen verworfen werden.

Noch mal überlegen, die vor dem Zug? Ja sicher, das passiert immer dann, wenn der Zug nach dem Lesen einer hält und die Fahrtrichtung wechselt. Also beispielsweise, wenn ein Zug in einem Bahnsteiggleis bereitgestellt wird oder sich in einem Kopfbahnhof befindet.

Um das Problem mit der zu lösen, kann der Bezugspunkt, also die Ortsreferenz, verschoben werden. Auf Englisch ergibt das die Shifted Location Reference. Die M33 ist demzufolge auch nichts anderes als eine M3, in der alle Ortsangaben um eine angegebene Distanz in Nominalrichtung der verschoben sind. Genutzt wird das in der Regel im genannten Fall des Zuges vor/über der . Theoretisch geht es aber auch anders herum.

Packet 12/Level 1 Movement Authority Balise Loop RIU
 
Packet 15/Level 2 Movement Authority RBC

Das Packet 12 enthält die eigentlichen MA-Daten für , Packet 15 jene für . Da es nur einen Unterschied zwischen beiden gibt, beschreibe ich sie zusammen.
In hieß Packet 15 noch "Level 2/3 Movement Authority").
Die wichtigsten Informationen sind naturgemäß:

Die erste Frage, die nach der Geschwindigkeit, beantwortet nur das P12/Level 1 Movement Authority, und auch das nicht vollständig. Dafür gibt es in ETCS andere Mittel. Die anderen und noch einige weitere Punkte werden jedoch ausführlich behandelt.

End of Authority / Limit of Authority

Das Ziel nennt sich fachsprachlich End of Authority (EOA), wobei je nach Quelldokument das Akronym auch mal EoA sein kann. Im Normalfall ist die Zielgeschwindigkeit 0, d. h. das Fahrzeug muss am EOA stehen. Die Zielgeschwindigkeit kann aber auch größer als 0 sein, dann nennt sich das EOA Limit of Authority (LOA). Dennoch heißt das nicht, dass das Fahrzeug über das LOA hinaus fahren darf bzw. kann, denn beim Passieren des EOA/LOA wechselt das Fahrzeug immer nach . Ein LOA macht also nur Sinn, wenn kurz vorher eine neue MA übertragen wird oder aus der ETCS-Führung entlassen wird. Zusätzlich kann die LOA-Geschwindigkeit auch noch zeitgesteuert ungültig werden, also LOA zum EOA.

Die unglückliche Doppelbedeutung von EOA als End of Authority mit Geschwindigkeit 0 und zugleich als Oberbegriff für EOA und LOA wurde mit B3R2 behoben. Der Oberbegriff lautet nun End of Movement Authority (EMA, als Akronym jedoch nur in Variablennamen genutzt).

Technisch gibt das EOA an, wo die Betriebsbremskurve des Fahrzeugs die Nulllinie schneidet bzw. bei LOA die LOA-Geschwindigkeit. Berechnet wird das mit der wahrscheinlichen Zugposition (EstimatedFrontEnd), also ohne Berücksichtigung der Ortungsungenauigkeit.

Das Kriterium für den Trip ist hingegen relativ tolerant, da hier das MinSafeFrontEnd bewertet wird, jedenfalls in . In erfolgt der Wechsel nach Trip, wenn das Fahrzeug mit der MinSafeAntennaPosition den EOA passiert, ohne eine neue MA empfangen zu haben. In beiden Fällen ist es also "garantiert zu spät".

Supervised Location

Der Gefahrpunkt wird als Danger Point (DP) bezeichnet. Der liegt aber hinter dem Zielsignal, darf der Zug denn bis dort fahren, wenn einer angegeben ist? Nein, er muss schon am Signal halten. Jetzt kommt wieder die Tatsache ins Spiel, dass es neben den Betriebsbremskurven auch Schnellbremskurven gibt. Und die Schnellbremskurven beziehen sich auf die Supervised Location (SvL), die am DP liegt bzw. wenn ein Durchrutschweg angegeben ist an dessen Ende. Der Durchrutschweg kann dabei zu einer bestimmten Zeit nach Passieren eines definierten Orts vor dem EOA automatisch aufgelöst werden. Das sollte durch ETCS nicht später geschehen als im Stellwerk.

Technisch gibt die SvL an, wo die Schnellbremskurve des Fahrzeugs die Nulllinie schneidet. Berechnet wird das mit der vordersten möglichen Zugposition, dem MaxSafeFrontEnd.

Release Speed

Nun gibt es noch ein Problem, besonders wenn der Zug weniger weit gekommen ist als erwartet: Die Annäherung an das , wird mit dem EstimatedFrontEnd überwacht, die an die sogar mit dem MaxSafeFrontEnd. Es kann also passieren, dass der Zug so restriktiv gehandhabt wird, dass er das Zielsignal nicht erreicht. Um dem entgegen zu wirken, kann mit Release Speed gearbeitet werden. Die Bremskurven werden dabei normal berechnet, aber nicht mehr überwacht, sobald die relevante Bremseingriffskurve die Release Speed erreicht. Danach greift bei Überschreiten dieser Geschwindigkeit immer die Schnellbremsung ein. Die Warnung erfolgt etwas darunter, die Sollgeschwindigkeit wird aber weiterhin normal angezeigt.

Die Release Speed kann vom Fahrzeug so berechnet werden, dass die Distanz zwischen (bezogen auf MinSafeFrontEnd) und (bezogen auf MaxSafeFrontEnd) für eine Schnellbremsung ausreicht. Sie kann aber auch von der Strecke mitgegeben werden. Da eine Schnellbremsung von bis möglich sein muss, die aber mit Löschen des Overlaps geändert wird, sind für Overlap und DP unterschiedliche Release Speeds definiert.

Sections

Eine MA besteht aus mindestens einer Section, der Endsection. Die Gültigkeit der MA kann zeitgesteuert nach Erreichen eines bestimmten Ortes vor dem beendet werden, d. h. das wird auf die Zugspitze gesetzt und die Zielgeschwindigkeit wird zu 0 ( wird ). Das kann sinnvoll sein, um eine stellwerksseitig vorgenommene Auflösung unter dem Zug im Zielgleis zu berücksichtigen.

Es können zusätzlich noch bis zu fünf weitere Sektionen angegeben werden. Hier gibt es ebenfalls Timer für zeitgesteuerte Auflösung, diese werden aber direkt mit Erteilen der MA wirksam. Gestoppt werden sie, wenn das Fahrzeug einen bestimmten Ort in der Section erreicht. Diesen Timer gibt es auch für die Endsection. Es gibt aber keine Vorschrift, die zusätzlichen Sections überhaupt zu nutzen oder sie auf Fahrstraßen zu beziehen.

Signalisierte Geschwindigkeit

In werden ohne Infill weiterhin Signale genutzt, außerdem ist ja auch die Nutzung von von Signalen abhängig. Klassische Signalsysteme kennen bekanntlich oft eine Geschwindigkeitssignalierung, ETCS macht die zulässige Geschwindigkeit aber von Streckenprofilen abhängig. Das kann unkritisch sein, wenn in die jeweils abschnittsweise mögliche Geschwindigkeit ausgefahren werden darf. Vielleicht ist das bei einer Bahnverwaltung jedoch nicht regelkonform. Um nun zu vermeiden, dass die Streckenprofile durch die an die signalisierte Geschwindigkeit angepasst werden müssen, gibt es ausschließlich im Packet 12 einen Parameter für die Signalling related speed restriction. Diese gilt für die gesamte Ausdehnung der MA.

Packet 5/Linking Balise Loop RIU RBC

Linking stellt Verbindung zwischen her und ist ein wichtiger Bestandteil von ETCS. Mit Linking wird folgendes erreicht:

Es muss zwischen verlinkten und unverlinkten einerseits und der Aufnahme einer in das Linking unterschieden werden:

Damit ist zu Linking fast alles geschrieben. Das Packet enthält für jede verlinkte die Distanz vom Vorgänger, die Ungenauigkeit, die erwartete Richtung und die Reaktion bei Nichtlesen bzw. Lesefehlern. Es soll ausgegeben werden, wenn die Informationen verfügbar sind, und wird es in der Praxis auch, ist aber rein formell für eine MA nicht erforderlich.

Packet 21/Gradient Profile Balise Loop RIU RBC

Das Gradientenprofil ist relativ unspektakulär. Es gibt abschnittsweise die Neigung der Strecke an. Da die Strecke nicht dezimeterweise berechnet werden soll, bildet man "handliche" Stücke und gibt deren minimale Neigung (also das größte Gefälle bzw. die kleinste Steigung) an. Die Länge kann stückweise festgelegt werden. Für die Neigung gilt eine Auflösung von einem Promille, der Maximalwert ist 254 ‰ Bis zu 32 Segmente sind möglich. Bedingt durch das Bilden der Minima gelten die Werte der einzelnen Segmente, wenn nicht sogar die Segmentgrenzen, in der Regel nur in eine Richtung. Da ein Gradient bis zum Beginn des nächsten Segments gilt, spricht man von einem kontinuierlichen Profil.

Packet 27/International Static Speed Profile Balise Loop RIU RBC

Das Geschwindigkeitsprofil gibt an sich abschnittsweise die zulässige Geschwindigkeit an, analog zu den Gradienten im . Da sich diese Geschwindigkeiten vor allem aus den Kurvenradien ergeben, können die Segmentierung und auch die Werte der einzelnen Segmente in beiden Richtungen gleich sein, das ist aber reine Projektierung. Es sind ebenfalls bis zu 32 Segmente möglich, die Geschwindigkeiten reichen in Schritten von 0 km/h bis 600 km/h - allerdings macht die 0 keinen Sinn.

Zusätzlich zur allgemeinen Geschwindigkeit können in das SSP zugkategoriespezifische Geschwindigkeiten aufgenommen werden. So kann die Geschwindigkeit für schwere Güterzüge zusätzlich begrenzt oder für Neigetechnikzüge erhöht werden. Allerdings müssen diese Änderungen die gleichen Segmentgrenzen nutzen. Es sind zwar 15 Zugkategorien pro Segment zulässig, aber ein solches Packet würde sowohl für als auch für zu groß sein.

Die Definition der Zugkategorien ist auch etwas seltsam. In 2 gab es ursprünglich drei Werte: Active tilting SSP, Passive tilting SSP und Cross wind sensitivity. In der letzten Version 2.3.0d lautete das dann International Train category 1 bis International Train category 15, wobei ein Zug beliebig vielen (also bis zu 15) Kategorien angehören durfte. Ab 2.0 wurde die Zugkategorie aufgesplittet. Es gibt dort zwar weiterhin 15 kombinierbare Kategorien, von denen aber nur drei definiert sind, die sich betrieblich ausschließen: Personenzug, Güterzug Bremsstellung "P" und Güterzug Bremsstellung "G". Zusätzlich gibt es einen eigenen Parameter für den zulässigen Überhöhungsfehlbetrag, der mit 11 nicht kombinierbaren Werten definiert ist.

Es ist nicht verboten, das SSP spezifisch anzupassen. Streckenseitig können also neben den statischen Streckendaten mehr oder weniger beliebige dynamische Einschränkungen in das SSP eingearbeitet und an das Fahrzeug ausgegeben werden. Hier ein paar Beispiele:

Packet 49/List of Balise Groups for SH Area Balise Loop RIU RBC

Dieses Packet enthält eine Liste von 0 bis 15 , die ein Fahrzeug in passieren darf. 0 heißt dabei, dass keine passiert werden darf. Wird kein Packet 49 übergeben, so dürfen alle passiert werden. Die Begründung "This packet will never be combined with other packets requiring a big data volume." aus Subset 040 ist allerdings Unsinn, da es mit einer MA kombiniert werden darf und dort u. a. das SSP enthalten ist.
Das Packet hieß vor 4 noch "List of balises for SH Area". Der Name wurde geändert, da das Packet keine referenziert, sondern .

Packet 80/Mode profile Balise Loop RIU RBC

Mit Packet 80 kann angegeben werden, in welchen Bereichen der MA der Zug nicht in , sondern in , (ab 2.0) oder fahren soll. Anders als bei und müssen die Segmente hierbei nicht direkt aneinander grenzen, das MP ist ein diskontinuierliches Profil. Die Zahl der Segmente ist auch wesentlich geringer, es gibt maximal drei. Eine gewisse Sonderstellung nimmt dabei das ein, da der Zug beim Wechsel nach Shunting die MA und das MP löscht. Praktisch hat das SH-Profil also nur einen Anfang, aber kein Ende.

Auf der nächsten Seite betrachten wir noch die anderen Informationen von der Strecke an das Fahrzeug.

Rundweg
Rundweg (Von der Strecke an den Zug)

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