Nachdem wir nun die verschiedenen Level von ETCS angesehen haben, ist der nächst wichtige Begriff der Mode. Es handelt sich hierbei um einen Betriebszustand. Das Thema ist so wichtig, dass die UNISIG ihm in der SRS ein eigenes Kapitel widmet, das Subset-026-4 "Modes and Transitions". Dieses liefert zwar kein Zustandsdiagramm, aber eine Tabelle der Zustandsübergänge. Eingerahmt ist jeweils angegeben, in welchem Level dieser Mode möglich ist.
In Mode Full Supervision herrscht die totale Überwachung. Die Strecke bestätigt einen freien und gesicherten Fahrweg. Der Triebfahrzeugführer kann diesen prinzipiell anhand des DMI abfahren, ohne nach draußen zu sehen. In der Praxis wird er aus verschiedenen Gründen dennoch das Fenster brauchen, beispielsweise wenn sich vor Ende des Fahrwegs bereits ein fahrplanmäßiger Halt befindet. Das sind aber betriebliche und keine sicherungstechnischen Belange.
Das DMI zeigt dem Triebfahrzeugführer nicht nur die jeweils aktuell zulässige Höchstgeschwindigkeit an, sondern bietet auch eine Vorschau, so dass vorausschauendes Fahren möglich ist. Es kann jederzeit langsamer gefahren werden als erlaubt, aber nur bedingt schneller: Es gibt neben der angezeigten Maximalgeschwindigkeit (Permitted Speed limit) zunächst eine Warnschwelle (Warning limit), dann eine Schwelle für den Bremseingriff (Service Brake Intervention limit) und für den Notbremseingriff (Emergency Brake Intervention limit).
Zusätzlich werden auch bestimmte Streckeneigenschaften angezeigt, so die Fahrleitungssignale "Hauptschalter aus" und "Stromabnehmer senken." Dies natürlich nur, wenn die Strecke sie meldet.
Der Mode FS kann vom Triebfahrzeugführer nicht direkt gewählt werden, sondern er wird automatisch aktiv, wenn die Strecke entsprechende Daten übertragen hat.
Mode Automatic Driving wird vom Fahrzeug gemeldet, wenn dieses für automatisches Fahren bereit ist. Parallel zu
ETCS-Baseline 4 wurde auch ATO-Baseline 1 in die TSI ZZS
aufgenommen. Diese unterstützt Automatic Train Operation bis Grade of Automation (GoA) 2. Dabei bleibt
der Fahrzeugführer für die Zugabfertigung verantwortlich, auf seinen Knopfdruck fährt das
Fahrzeug dann los.
Funktional ist AD ein Unterzustand von FS.
Mode On Sight ist ein abgeschwächtes Full Supervision. Zwar ist der Fahrweg gesichert, aber nicht unbedingt frei. Betrieblich ist damit in der Regel eine Geschwindigkeitsbeschränkung verbunden, die auch an das Fahrzeug übertragen wird. Die Geschwindigkeit wird landesspezifisch festgelegt, kann für jede Fahrt in Mode OS aber auch separat von der Strecke vorgegeben werden. Die Überwachungsfunktionen sind ansonsten die gleichen wie bei Mode FS, die Vorschau wird auf dem DMI aber standardmäßig nicht dargestellt.
Grundlage für Mode OS sind die gleichen Daten wie bei FS, die Strecke überträgt aber zusätzlich den Bereich, in dem auf Sicht gefahren werden muss. Deshalb kann auch OS nicht direkt gewählt werden.
Hier hat der Triebfahrzeugführer die Verantwortung. Die Strecke kann keine Fahrt in Mode FS oder OS erlauben. Diese Situation liegt z. B. vor, wenn die Position des Zuges nach Aufstarten nicht bekannt ist (vor allem Level 2) oder der Zug noch keine Balise gelesen hat, die die Fahrt erlaubt (Level 1). SR dient aber auch als Rückfallebene bei Störungen (Befehlsfahrt). Die Strecke kann zwar Geschwindigkeit und maximale Entfernung vorgeben, das kann im Stand aber vom Triebfahrzeugführer überschrieben werden.
Balisen können mit einem bestimmten Telegramm einen Fahrzeug in SR zwangsbremsen, sofern nicht Override aktiv ist (Befehlstaste). Wird das Fahrzeug von der Strecke nach SR gebracht (das geht nur in Level 2), kann auch eine Liste der erwarteten Balisen mitgegeben werden. Beim Lesen anderer Balisen wird das Fahrzeug zwangsgebremst.
Der Rangiermodus kann sowohl vom Triebfahrzeugführer gewählt als auch (in Level 1, 2) von der Strecke kommandiert werden. In Level 2 muss die Strecke in jedem Fall zustimmen. Beim Rangieren kann ähnlich wie in SR von der Strecke eine Liste von Balisen mitgegeben werden. Das geht in diesem Fall auch in Level 1. Ebenso gibt es wieder die Möglichkeit, eine Zwangsbremsung über Balisen zu kommandieren. Das funktioniert allerdings nur in Level 1, 2, nicht in Level 0. Ansonsten wird nur eine Maximalgeschwindigkeit überwacht.
Shunting wird als "End of Mission" betrachtet, d. h. beim Wechsel nach SH baut ein Fahrzeug in Level 2 die Funkverbindung zum RBC ab.
In Baseline 2 war Shunting in Level STM nicht definiert.
Unfitted heißt nicht, dass das Fahrzeug nicht mit ETCS ausgerüstet ist, sondern dass es an der Strecke keine entsprechende Ausrüstung gibt. In diesem Mode wird die Maximalgeschwindigkeit überwacht. Die einzige andere Information, die ausgewertet wird, sind temporäre Geschwindigkeitseinschränkungen, die von Balisen gelesen werden.
Das "schlafende" Fahrzeug ist nicht etwa ausgeschaltet, sondern es wird als Nachspann vom führenden ferngesteuert. Insofern ist keine Überwachungsfunktion relevant, vielmehr wird sogar gefordert, dass das Fahrzeug nach Möglichkeit sogar bei kritischen Systemfehlern nicht zwangsgebremst wird. Die einzige unterstützte ETCS-Funktion ist die Ortung. Damit kann das Fahrzeug bei Abtrennen der Vorspannlok wieder den normalen Betrieb aufnehmen.
Der Mode wird automatisch durch das Fernsteuersignal eingenommen.
SB ist der Mode, in dem sich das Fahrzeug nach dem Einschalten befindet. Dabei wird lediglich überwacht, dass das Fahrzeug stehen bleibt. Nach dem Aufschalten eines Führerstands kann der Triebfahrzeugführer allerdings die Vorbereitungen zum Wechsel in einen anderen Mode vorbereiten.
In Trip befindet sich das Fahrzeug bei einer ETCS-Zwangsbremsung. Das passiert, wenn ein Fahrzeug über das EOA hinaus fährt, oder in SR oder SH eine nicht erlaubte Balise passiert. Außerdem kann das RBC in Level 2 einen unbedingten Nothalt kommandieren, worauf das Fahrzeug direkt nach Trip wechselt. In diesem Mode wird das Fahrzeug bis zum Stillstand gebremst, die Bremsung kann nicht abgebrochen werden.
Das Anstoßen der Schnellbremsung allein (als zweite Stufe des Bremseingriffs bei zu hoher Geschwindigkeit oder wenn die Betriebsbremse nicht verfügbar ist) ist kein Trip.
In Baseline 2 war Trip in Level 0 nicht definiert.
Mode Post Trip wird nur in einem einzigen Fall eingenommen: Wenn ein Fahrzeug in TR zu Stillstand gekommen ist, wird der Triebfahrzeugführer zum Bestätigen des Trips aufgefordert. Mit der Bestätigung wechselt das Fahrzeug nach PT. In diesem Mode kann das Fahrzeug eine landesspezifisch definierte Distanz rückwärts fahren, z. B. um wieder vor das überfahrene Signal zu kommen. Alternativ kann auch nach Shunting gewechselt, Override gewählt oder die Startprozedur angestoßen werden.
Bei einem kritischen Systemfehler wechselt ETCS eigenständig nach SF und stößt die Schnellbremsung an. In diesem Fall kann das Fahrzeuggerät nur noch ausgeschaltet oder isoliert werden.
Das Fahrzeuggerät kann nicht nur einfach abgeschaltet, sondern völlig isoliert werden. Insbesondere wird die OBU dabei von der Bremse abgekoppelt. Zur Anwendung kann das kommen, wenn ein kritischer Systemfehler auch durch Neustart nicht behoben werden kann. IS ist der einzige Mode, aus dem betrieblich in keinen anderen Mode gewechselt werden kann.
Das Fahrzeuggerät ist abgeschaltet. Dabei wird die Schnellbremsung angestoßen. NP ist der einzige Mode, der in Level 2 und Level 3 nicht an das RBC gemeldet werden und auch nicht in Befehlen des RBC codiert werden kann. (Hingegen ist es in Baseline 2 theoretisch noch möglich, eine Textmeldung an ein Fahrzeug zu senden, die bei Wechsel in Mode IS angezeigt wird.)
NL ist sozusagen die verschärfte Version von Sleeping. Gibt es bei SL noch ein Fernsteuersignal, das das Fahrzeug an das Verhalten des führenden Fahrzeugs anpasst, so wird bei NL manuell nachgeschoben. Es werden zwar Levelwechsel und Übergaben an andere RBC bearbeitet, jedoch absolut keine Überwachungsfunktionen. Theoretisch kann ein Fahrzeug in Mode NL beliebig durch die Gegend fahren. Systembedingt kann weder das noch die freie Wahl des Modes eingeschränkt werden, wenn Nachschieben ohne feste Verbindung erforderlich ist. In Baseline 3 wird allerdings ein entsprechendes Eingangssignal gefordert.
SE ist einer der beiden angedachten Modes für den Betrieb mit Bestandssystemen (STM). Hierbei werden die Streckendaten zwar über die vorhandenen Techniken empfangen, jedoch in Profile und Fahrerlaubnisse umgesetzt, die von der OBU regulär bearbeitet werden. Beim Überfahren des Ziels reagiert diese dann mit Schnellbremsung und Meldung an das STM. Außerdem werden auch in STM wenige Informationen des ETCS-Systems akzeptiert, vor allem die Balisen zur Positionsbestimmung, landesspezifische Konfiguration und Daten zum Verbindungsaufbau.
So weit die Theorie. Praktisch gibt es allerdings keine entsprechende Hardware, so dass der Mode SE zu Baseline 3 entfallen ist. Es gibt zudem nicht viele Zugbeeinflussungen, die zur Berechnung einer Fahrerlaubnis genutzt werden könnten. Wo sollte bei PZB 90 auch eine Bremskurve herkommen? Unter der Annahme immer gleicher Vorsignalabstände ginge das evtl. ab dem 1000er ...
Mode LS wurde erst mit Baseline 3 eingeführt. Er ist technisch relativ nah mit OS verwandt. Mode LS geht auf die DB und die SBB zurück, die die Interoperabilität im Korridor A (Rotterdam-Genova) günstig herstellen wollten.
Der eigentliche Trick an der Sache ist in meinen Augen eher formell als technisch. Bis auf das Modeprofil LS sind die erforderlichen Informationen für LS und FS nämlich identisch. Für LS wird lediglich an den Fahrweginformationen (Distanz zum EOA, Neigung und der Geschwindigkeit) gespart, wenn dies möglich ist, d. h. es werden nicht die realen Streckendaten genutzt, sondern nur vereinfachte Daten. Damit entfällt die Prüfung der Weichenlagen, und alle erforderlichen Informationen können direkt vom Signalbegriff abgeleitet werden. Oder genauer: Es können wahlweise vereinfachte oder vollständige Fahrweginformationen genutzt werden, so dass L1/LS "skalierbar" ist. Die einfachste Möglichkeit ist, entweder eine Halt-MA oder eine unendlich (32 767 m) lange Fahrt-MA zu erteilen, also zwischen Halt und Fahrt zu unterscheiden. Über eine Anpassung zur Mehrabschnittsignalisierung geht es im Prinzip nahtlos bis zu FS.
Neben der einfacheren Projektierung hat das den Effekt, dass die Ansteuerung der Transparentbalisen mit wesentlich geringerem Hardwareaufwand möglich ist. Eine MiniLEU ist ausreichend, und diese benötigt keine externe Stromversorgung, sondern begnügt sich mit Solarzellen. Insgesamt kommt man so bezogen auf ein Signal auf etwa ein Viertel der Kosten für eine normale LEU. Wenn ein modernes elektronisches Stellwerk die Strecke steuert, ist Level 2 betrieblich günstiger; preislich ist dann das RBC gegen alle LEU samt Verkabelung aufzurechnen.
Wie schon erwähnt, könnte eine MA mit "EOA in 32 767 m, Geschwindigkeit 160 km/h, Standardneigung" technisch auch in L1/FS genutzt werden. Um den Triebfahrzeugführer aber nicht in falscher Sicherheit der Führerstandssignalisierung zu wiegen, gibt es das LS-Profil. Damit wird nur eine Bremskurve (Schnellbremskurve) berechnet, die zudem auch nur im Hintergrund überwacht wird (keine Vorschau auf dem DMI).
In Level 2 und Level 3 wird normalerweise davon ausgegangen, dass das RBC alle Fahrweginformationen in seinem Bereich kennt und LS deshalb nicht relevant ist. Formell wäre es zulässig, und es kann tatsächlich vorkommen, dass ein Fahrzeug von Level 1 nach Level 2 wechselt und dabei vorübergehend in Mode LS verbleibt.
SN ist der zweite Mode für NTC und damit der einzige tatsächlich angewendete. Hier überwacht das STM-Gerät und nutzt die das ETCS-System lediglich zur Anzeige, zur Odometrie und zum Zugriff auf die Bremse. Die Schnittstelle zum STM ist genormt und es gibt eine Liste der so genannte "Class B" Systeme, damit auch die Umschaltung (Levelwechsel) angekündigt werden kann.
In Baseline 2 nannte sich der Mode noch STM National.
Reversing stammt aus der Idee, einen Zug so schnell wie möglich rückwärts aus einem Gefahrenbereich zu fahren. Der Mode lässt sich im Stillstand in Mode FS oder OS wählen und erlaubt eine bestimmte Distanz. Die relevanten Bereiche werden im Voraus an das Fahrzeug gemeldet, in Level 2 können Distanz und Geschwindigkeit auch spezifisch angepasst werden.
Soweit bekannt, wird Reversing derzeit nur im den Schweizer Alpentunneln genutzt, auch wenn die in Österreich betriebenen RBC es ebenfalls beherrschen. Der Mode liefert einige betriebliche Probleme, so muss der Zug einen nicht mehr gesicherten Fahrweg nutzen, der bei dichter Zugfolge womöglich bereits durch den nächsten Zug besetzt ist, oder der Fahrweg muss rückwärts wieder gesichert werden. Dabei ist der Triebfahrzeugführer sogar am (bei Reversieren) hinteren Zugende, und da Linking nicht funktioniert, wird das Vertrauensintervall immer größer.
Passives Rangieren ist das Gegenstück zum Sleeping bei Zugfahrten. Es wurde erst mit Baseline 3 eingeführt.
Ab Systemversion 2.3 gibt es diese Alternative zum Shunting. Rangieren unter ETCS hat vor allem zwei Probleme:
Beidem wird hiermit abgeholfen, ohne die Eingabe von Zugdaten zu erzwingen. Es gibt fahrzeugseitig vordefinierte Daten und die Länge des Verbands (Rangierabteilung) vom Triebfahrzeug aus nach vorn und hinten wird übertragen. Diese Längen können aus jeder Quelle kommen, richtig sinnvoll ist dieser Mode jedoch in Verbindung mit der Digitalen Automatischen Kupplung, die die Längen automatisch erhebt. Das RBC erteilt technisch gesehen eine Fahrerlaubnis, allerdings kann diese beliebig nach vorne oder hinten gehen.
Bei Verlassen von SM über "Exit SM" wird die Funkverbindung allerdings ebenfalls abgebaut.
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