Fahren wir einmal in die etwas weitere Umgebung, nämlich an das Bayerische Meer, den Chiemsee. Mit 79,9 km2 und 2 047,84 Mio. m3 ist er der flächenmäßig größte See Bayerns (der Starnberger See hat mit 2 998,92 Mio. m3 aber deutlich mehr Volumen, da er im Schnitt doppelt so tief ist) und der drittgrößte Deutschlands. Entstanden ist der See Ende der letzten Eiszeit vor ca. 10 000 Jahren als Ausschürfung eines Gletschers. Die ursprüngliche Fläche betrug sogar 240 km2. Außerdem senkte man vor 1904 noch einmal den Wasserspiegel um rund einen Meter und konnte so erhebliche Landflächen gewinnen. Mit der Errichtung einer Ringkanalisation, die die Abwässer in eine Kläranlage bei Prien leitet, konnte in den 1980ern auch der Phosphateintrag von über 100 Tonnen im Jahr bewältigt werden.
Die Inseln im See sind Herreninsel (238 ha), Fraueninsel (15,5 ha) und Krautinsel (3,5 ha), die zusammen die Gemeinde Chiemsee bilden, sowie die gemeindefreie Insel Schalch (22 m2). Jede dieser Inseln hat ihre spezifische "Aufgabe". Während wir uns mit der ⇒ Chiemsee-Schifffahrt Ludwig Feßler KG auf den Weg zum Herrenchiemsee machen, schauen wir uns das mal näher an.
Herrenchiemsee, früher auch als Herrenwörth bekannt, ist sicherlich vor allem durch das Schloss Herrenchiemsee bekannt. Aber schon zwischen 620 und 629 wurde hier durch Eustasius, den Abt des Klosters Luxeuil (Luxeuil-les-Bains, Département Haute-Saône, Frankreich) ein Benediktinerkloster gegründet, das 1130 zum Stift der Augustiner-Chorherren wurde. 1215 wurde Chiemsee sogar zum Bistum und die Klosterkirche zur Kathedrale geweiht, allerdings residierte der Bischof in Salzburg. 1803 wurde das Kloster aufgelöst, in den Folgejahren der Dom profaniert und das Bistum aufgelöst. Nachdem der Graf Paul Maria Vogt von Hunoltstein die Insel 30 Jahre lang bewohnt hatte, wurde sie von württembergischen Holzhändlern erworben, die die Wälder der Insel abholzen wollten. Dann aber kaufte ihnen Ludwig II. die Insel ab und ließ das weltberühmte Schloss errichten. Das Alte Schloss oder ehemalige Kloster diente im August 1948 schließlich dem Verfassungskonvent als Tagungsort, hier wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorbereitet.
Auf der Fraueninsel liegt das Kloster Frauenwörth, gegründet 783 von Herzog Tassilo III. von Bayern. Heute leben in der Benediktinerinnenabtei etwa 30 Schwestern. Eine säkulare Unterbrechung gab es von 1803 bis 1835, jedoch blieb auch zu dieser Zeit der Konvent, also der Wohnbereich, erhalten. Zu dieser Zeit, etwa um 1828, gab es die Künstlerkolonie Fraueninsel, knapp 100 Jahre später, 1920, dann die Künstlervereinigung "Frauenwörther". Im Gegensatz zur nur von wenigen Personen bewohnten Herreninsel hat die Fraueninsel rund 300 Einwohner.
Die Krautinsel wird lediglich im Sommer bewohnt, nämlich von den Kühen einiger um den Chiemsee ansässigen Bauern. Sie trägt den Namen aufgrund des Anbaus von Kraut und Gemüse durch das Kloster Frauenwörth. Zur Krautinsel gehören noch zwei südlich vorgelagerte Kleinstinseln auf einer knapp überspülten Kiesbank, auf denen gerade mal jeweils ein Baum steht. Auf dem Bild sind sowohl die Fraueninsel (links) als auch die Krautinsel mit den beiden Inselchen zu sehen. Rechts der östliche Zipfel der Herreninsel. Der Schalch ist zwar auch drauf, aber vor dem Hintergrund in dieser Auflösung nicht zu unterschieden.
Etwas größer als die Miniinseln ist der Schalch, eine gemauerte Insel mit einer
Kantenlänge von 4,7 m. Sie liegt westlich der Fraueninsel und soll wahrscheinlich
als "Leuchtturminsel" für eine Untiefe dienen (zwischen Schalch und Fraueninsel ist die
Durchfahrt möglich), allerdings mit einer Weide statt eines
Leuchtturms ausgestattet.
Daneben gibt es durch Anschwemmungen noch einige Inseln im Mündungsdelta der Tiroler
Achen. Durch den Schlammeintrag verlandet der See hier und in geringerem Maße auch
im Bereich der Prien.
Hintergrund: Zuflüsse des Chiemsees
Die Prien-Quelle liegt im "Zipfel" von
Österreich bei der Goglalm am Spitzstein, knapp 5 km südlich der Hochries.
Die Prien fließt dann im großen Bogen durch Sachrang, Aschau, Frasdorf und Prien,
mündet nach 32 km aber nicht in den offenen See, sondern in die Schafwaschener Bucht
ganz im Nordwesten.
Die Großache oder (in Deutschland) Tiroler Achen ist mit 79 km mehr als doppelt so
lang, sie entspringt am Paß Thurn in den Kitzbühel Alpen und kommt durch
Kitzbühel, St. Johann, Kössen und Marquartstein und müdet mit einem etwa 1 km
breiten Delta zwischen Feldwies und Grabenstätt. Dabei bildet sie teilweise die Ostgrenze
des Kaisergebirges und durchbricht die Chiemgauer Alpen in der Entenlochklamm.
Limnologisch ist die angegebene Quelle allerdings wahrscheinlich nicht korrekt, sondern statt
der Jochberger Ache ist wohl eher der Trattenbach das Quellgewässer. Damit läge die
Quelle etwa 400 m westlich des Zweitausenders (das ist in diesem Fall ein spezieller Berg
und keine Klassifizierung, wobei die Höhenangaben um die 2000 m schwanken). Falls das
so ist, wäre die Quelle in Tirol, sonst im Land Salzburg.
Auf dem Foto von unterhalb des Riesenbergs ist ein Teil des Chiemsees zu sehen. Links vom kleinen Kopf sind die Herreninsel und rechts dahinter die Fraueninsel sichtbar, scheinbar durch die Krautinsel verbunden. Ebenso sind einige Häuser auf der Herreninsel erkennbar.
Wenig später legt unser Schiff am Anleger Herrenchiemsee an, und wir steigen aus. Aufgrund des recht heißen Wetters in unserer zweiten Urlaubswoche (es war der 20.06.2013 kurz vor Mittag) sind die Touristen eher leicht gekleidet. Eine Dame trägt oben herum gar nur ein Bikinioberteil (nein, nicht auf diesem Bild ...). Ein Fehler, der sich noch rächen sollte. Hinten links ist ein Teil der Schlosswirtschaft zu sehen.
Der Schlossbau wurde 1878 begonnen, 1886 mit dem Tod des Königs eingestellt. Das Schloss ist deshalb nicht vollständig fertiggestellt, genau wie Neuschwanstein. Lediglich das kleinste Schloss des Königs, Linderhof, wurde noch fertig. Während der Bauarbeiten war der König immer mal wieder einige Tage im Alten Schloss, nachdem 1881 das Schlafzimmer fertig war, verbrachte er jeweils einige Herbsttage dort. Nur vom 7. bis 16. September 1885 wohnte er wirklich in seinen neuen Privaträumen. Obwohl der König selbst durch den Bau dem Bankrott nahe stand (Herrenchiemsee war deutlich teurer als Linderhof und Neuschwanstein zusammen), kam der Staat Bayern nicht für die Kosten auf, sondern profitierte eher vom Wirtschaftsaufschwung.
Das Schloss sehen wir uns von innen nicht an. Erstens wäre das mit einem Kind von nicht mal anderthalb Jahren potenziell problematisch (nach Erzählung meiner Mutter ging es mit mir damals jedenfalls nciht gut), zweitens war uns angesichts des Wetters auch nicht danach. Wir halten uns also draußen auf, entweder im Schatten oder in der prallen Sonne, wo es immerhin etwas weniger Mücken gibt. Die Biester haben nach den Überschwemmungen Anfang Juni die Zeit genutzt, wobei es auf und um Herrenchiemsee sowieso genug stehendes Wasser gibt. Wir flüchten also schon mit dem nächsten Schiff von der Insel und bedauern die besagte leicht bekleidete Touristin. An Bord und auch in Prien ist die Situation entspannt. Zum Schwimmen bietet sich ohnehin das relativ neue Schimmbad Prienavera an, das auch das Hochwasser 2013 weitgehend unbeschadet überstanden hat.
Bleiben wir also auf dem Festland und sehen uns die Chiemseebahn an. Eine der wenigen Bahnen überhaupt, die schon immer privat waren und (abgesehen von einer konzerninternen Umordnung) noch dem gleichen Eigentümer gehören.
Hintergrund
Am 13. Juni 1886 starb König Ludwig II im damals noch Würmsee
genannten Starnberger See. Bereits drei Tage vorher hatte sein Onkel Luitpold
die Regierungsgeschäfte für den entmündigten König
übernommen. Da Ludwigs jüngerer Bruder Otto geisteskrank und
nicht regierungsfähig war (nach heutigen Kriterien würde das zumindest
für Ludwig nicht gelten), blieb Luitpold bis zu seinem Tod 1912 Prinzregent.
Er stellte
die Bauarbeiten an Schloss Herrenchiemsee ein und ermöglichte der
Öffentlichkeit dessen Besuch. Das Interesse am Schloss des
Märchenkönigs war groß, der Verkehr nahm sprunghaft zu,
und die privaten Kutschen, die die Besucher vom Staatsbahnhof zum Hafen
brachten, richteten in dem Dörfchen ein Verkehrschaos an.
Bereits 1887 baute die Chiemseebahn Fessler & Companie Prien innerhalb von 70 Tagen deshalb eine kaum 2 km lange Verbindung vom Staatsbahnhof Prien zum Hafen Stock. Obwohl die Meterspurbahn seinerzeit als Lokalbahn konzessioniert wurde und formell als Eisenbahn gilt (Kursbuchstrecke 10602, Streckennummer 9571), wird sie allgemein als älteste Dampfstraßenbahn der Welt bezeichnet. "Schuld" daran ist sicherlich die Lokomotive 1813 der Lokomotivenfabrik Krauss, die seit 1887 - abgesehen von einer Erneuerung der Feuerbüchse und des Kessels sowie neuer Beleuchtung und Seitenverkleidung - praktisch unverändert verkehrt. Lediglich in der Vorsaison (nur Wochenendverkehr) wird eine optisch angepasste Diesellok eingesetzt, um das häufige Anheizen und Abkühlen der Dampflok zu vermeiden. 1908 wurde der Bahnhof Prien aus Sicherheitsgründen verlegt, er lag zuvor auf der anderen Seite der Staatsbahn und kreuzte deren Gleise 2010/2011 wurde das Betriebswerk in Stock ersetzt.
1965 wurde die Chiemseebahn in die Chiemsee-Schifffahrt eingegliedert. In den
1970ern und 1980ern gab es Bestrebungen, die Bahn einzustellen, einerseits wohl
wegen der Kosten seitens der Chiemsee-Schifffahrt, aber wegen der Belästigungen
auch seitens der Gastwirte an der Strecke. Zugegeben: Wenn man sich die Qualmwolken
ansieht, möchte man auch kein Balkonzimmer an der Strecke haben. Nicht zuletzt
aufgrund von Denkmalschutzauflagen läuft der Betrieb des "Bockerls" aber weiter.
Heute machen die meisten Fahrgäste wohl eher von Stock aus Rundfahrten, da es
dort große Parkplätze gibt.
⇒ Chiemseebahn auf der Homepage der Chiemsee-Schifffahrt
Das nächste Bild zeigt den Bahnhof Stock in fast voller Schönheit: Links das Bahnsteiggleis, mittig das Umfahrgleis mit Abstellgleis in Richtung See (bis 1970 führte dieses Gleis direkt auf einen Steg) und direkt an der Weiche der "Wasserkran". Rechts geht es zwischen zwei Gebäuden hindurch zum Betriebswerk. Bis 2011 lag dieses in Ufernähe rechts des Prellbocks. Es fehlt wie zu erwarten noch die Weiche in meinem Rücken auf dem Bild. Sehr hübsch die filigranen Radlenker und technisch interessant: Die Gelenkzungen.
Und da man den Wasserkran auf dem letzten Bild nicht so recht erkennen kann, hier eine entsprechende Aufnahme. Danach noch die Betriebshofzufahrt.
Die Fahrzeuge besitzen jeweils einen mittig angebrachten Puffer, aber zum Kuppeln zwei Ketten, die (anders als bei der UIC-Schraubenkupplung) beide eingehängt werden. Interessant ist auch, dass der Luftschlauch nur einseitig vorhanden ist (auf der Nordseite, d. h. bei Fahrt von Stock nach Prien rechts bzw. jeweils auf der Bahnsteigseite). Damit können die Fahrzeuge nicht gedreht werden, was auf dem Streckennetz allerdings auch gar nicht möglich ist. Die Druckluftbremse wurde an 1961 allen Fahrzeugen nachgerüstet (wahrscheinlich nicht an den Güterwagen), die halboffenen Personenwagen haben jedoch nur eine Luftleitung und keine eigene Bremse.
Die Bahn verfügt über Wagen der ersten und zweiten Klasse, wobei die zweite Klasse als Holzklasse ausgelegt ist, und einige Wagen halboffen (also ohne Fensterverglasung) sind. Bis 1966 wurden die Dampfschiffe am Steg direkt aus zwei Güterwagen bekohlt, die ansonsten auch normale Fracht transportierten (u. a. auch Bier von der Brauerei Herrenchiemsee). Bis Ende der 1980er verschwanden die beiden.
Fahren wir also nach Prien und retour. Die Plattform des vorderen Wagens lädt dazu ein, dem Lokführer aus erster Reihe über die Schulter zu blicken. Der kluge Bahnfreak beachtet aber das Schild "Der Aufenthalt auf der Plattform ist verboten." und bleibt in der Tür stehen. Und das nicht nur aufgrund des Unfalls der HSB (Drängetal, 21.08.1994). Der Herr mit dem ehemals weißen Hemd vor mir war direkt nach dem Anfahren des Zuges jedenfalls bedient. Als der Zug dann noch mehrfach pfeifen musste, weil ein Auto an der Kreuzung auf dem (die Kreuzung schräg querenden) Gleis stand (als ob die Haltelinie nicht eindeutig wäre), war es nicht nur Wasser vom Dach der Lok, sondern auch ein netter Sprühnebel, der die anderen Personen auf der Plattform überraschte.
Sicherungstechnisch ist die Chiemseebahn relativ uninteressant, da eigentlich immer nur eine Lok verkehrt und die Kreuzung mit der Fernbahn schon seit 1909 nicht mehr existiert. Es gibt aber das Risiko Nummer Eins im Bahnverkehr, nämlich Bahnübergänge:
Interessant ist auch, dass BÜ-Überwacher, Merkpfähle und Pfeiftafeln auf der Südseite stehen, also auf der Lokführerseite der Dampflok und in Fahrtrichtung Prien auf der linken Seite.
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